- Warum fangen Marken erst jetzt an, den Frauenmarkt ernster zu nehmen?
- Wer ist der Vorreiter bei den Frauen?
- Wie einfach ist es für etablierte Marken, ihr Geschäft auf Frauen auszuweiten?
- Das bedeutet also, eine andere Farbe genügt nicht, um auf dem Outdoor-Markt bei den Frauen zu punkten?
- Wie können Marken neue Kollektionen für Frauen entwickeln?
- Wie lautet abschließend der Rat für Marken, die in den Frauenmarkt einsteigen wollen?
Viele Marken bieten zwar eine Damenkollektion an, diese ist aber oft von der Männerkollektion abgeleitet und nicht von Grund auf neu entwickelt worden. Klar, es gibt auf Frauen ausgerichtete Marken. Sie haben das Potenzial und die Notwendigkeit eines anderen Produktansatzes erkannt und wollen, dass die Verbraucherinnen ihre bestmögliche Leistung erzielen können. Aber es gibt noch viele Möglichkeiten, mehr frauenspezifische Produkte zu entwickeln.
ISPO.com hat mit Christina Käßhöfer, Independent Senior Advisor, Brand and Female Consumer Expert, über ihre Ansichten gesprochen, wie Marken bessere Produkte für Frauen entwickeln können.
Das Management vieler etablierter Sportartikelunternehmen ist traditionell männlich. In der Vergangenheit wurde das große Geld im Bereich der Sportunterhaltung mit Massensportarten gemacht, etwa mit Fußball und seinen internationalen Top-Events wie der Champions League. Sowohl Zuschauer als auch Spieler waren männlich und damit auch die potenziellen Zielkunden der Marken.
Seit 2018 sind Frauen die am schnellsten wachsende Gruppe bei Sportwettkämpfen. Marken wie Nike werben bereits seit zwei Jahrzehnten mit speziellen Kampagnen für Frauen. Aber erst jetzt, angesichts des schwierigen Marktumfelds der letzten Jahre, scheinen mehr Marken und Einzelhändler die Notwendigkeit zu erkennen, stagnierende Umsätze auszugleichen und das wachsende Potenzial bei Frauen zu nutzen. Ich stelle mit Genugtuung fest, dass das Interesse an der weiblichen Kundschaft wächst, aber es ist noch ein weiter Weg, bis wir es richtig machen.
In einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld mit einer sich verschlechternden Konsumstimmung, hohen Lagerbeständen und oft knappem Cashflow ist nichts einfach. Aber die Vorteile überwiegen die Risiken. Meiner Meinung nach sollte sich das Management auf die folgenden Schlüsselthemen konzentrieren, um langfristig Geschäft im Frauensport zu entwickeln:
- Ein komplettes Umdenken im Corporate Mindset – vom Management über die Arbeit mit Designerinnen bis hin zu einer veränderten Kommunikation sowie Markenbotschafterinnen, die voll dabei sind.
- Im Hinblick auf dieses Ziel eine solide Bewertung und Optimierung der Prozesse in den Bereichen Produktentwicklung, Beschaffung und Lieferkette, Vertrieb und Kommunikation.
- In der Produktentwicklung eine bessere Berücksichtigung der Funktionalität und Produktform basierend auf der weiblichen Anatomie, des Wunsches nach Produktattraktivität sowie einer anderen Erzählweise, die sich auf Nutzen, Verwendung und Bedürfnisse statt auf funktionale Eigenschaften konzentriert.
- Distribution und Services für die weibliche Zielgruppe – von der Produktinszenierung über inspirierende Outfits bis hin zu frauenspezifischen Services wie Festivals oder zusätzliche Produktinformationen.
- Neue Erlebnisse schaffen, die berücksichtigen, wie sich Frauen fühlen, wie sie shoppen, trainieren, sich im Wettkampf verhalten, sich ernähren oder wie ihr Gemeinschaftsgefühl und ihr Selbstbewusstsein gestärkt werden können.
Wie leicht das gelingt und ob es von Erfolg gekrönt wird, hängt letztendlich davon ab, wie entschlossen, kontinuierlich die Maßnahmen umgesetzt werden. Es braucht die Bereitschaft, in die Tiefe zu gehen und die emotionalen und kognitiven Prozesse von Frauen zu berücksichtigen, die Sport treiben und Sportprodukte kaufen.
Nun, das ist immerhin ein Anfang. Jedes Mal, wenn ich einen Sporthändler besuche, bin ich überrascht über die Farbpalette für Frauen und das Potenzial für Verbesserungen. Die Marktforschung zeigt: Egal wie funktional ein Produkt ist, Frauen kaufen es nur, wenn es ihnen gefällt. Aber am Anfang stehen ihre Bedürfnisse. Dabei geht es um die Qualität, wie sich der Stoff auf der Haut anfühlt, um Funktionalität und Vielseitigkeit, um den Tragekomfort. Außerdem geht es um die Beratung, die sie vom Verkaufspersonal oder online erhält, damit sie das richtige Produkt für ihre Bedürfnisse auswählen kann. Und schließlich um die Erfahrungen, die sie macht, und die Bestätigung, die sie erfährt, wenn sie mit diesem Produkt zum Trailrunning, Klettern oder Wandern geht. Wenn Frauen Artikel in einem 'safe space' nur für Frauen testen, sind sie oft bereit, in das beste Produkt auch etwas zu investieren.
Eine wichtige Rolle spielen datengesteuertes Category Management und das Überdenken der Wertschöpfungskette vom Material bis zum Transport der Waren unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten. Das Ziel sollte ein nachhaltiges, wenn auch noch nicht zwangsläufig zirkuläres Geschäftsmodell sein. Jedoch, Prognosen haben sich bislang als äußerst schwierig erwiesen. Darunter leidet die Branche. Daher ist jetzt die Sortimentsstrategie und -planung wichtig.
Wenn eine Kollektion geplant wird, sollten die Brands wirklich mit den Frauen beginnen, die sie ansprechen wollen. Sie sollten Personas definieren, für die alle Teams vom Design bis zum Verkaufstraining maßgeblich sind. Sie sollten Kategorien, Leistungsstufen und eine Produktpalette – z. B. Schuhe von Urban über Trail bis hin zu Speed und Hiking – entwickeln und die vorhandenen Verkaufsdaten analysieren.
Mein Ratschlag an die Brands wäre, je nach bestehendem Geschäft und Erfahrung, mit einer kleinen Produktpalette zu beginnen, die von Grund auf für Frauen entworfen wird: Form, Physiognomie, Passform, emotionale Bedürfnisse, Attraktivität. Die Produkte sollten mit einer Gruppe von Athletinnen verschiedener Leistungsniveaus getestet werden. Feedback einholen, erneut testen, umkonfigurieren usw. Dann sollte eine überzeugende Geschichte aus der Perspektive der weiblichen Zielgruppe entwickelt werden, die ihr das Warum (Nutzen, Gefühl) und nicht das Was (Funktionen) vermittelt. Liebe Marken, beginnt einen Dialog, hört zu, überdenkt euer Konzept – und verbessert es!
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