Stell dir vor, du trägst als Frau Sportkleidung, die für den männlichen Körper entworfen wurde – an manchen Stellen zu eng, an anderen zu weit. In der Medizin passiert genau das: Diagnosen und Behandlungen basieren oft auf männlichen Normwerten.
Die Datenlage ist eindeutig: Frauen zeigen bei Herzinfarkten oder Gehirnerschütterungen oft andere Symptome als Männer, die zu spät erkannt werden. Eine dänische Studie zeigt, dass ADHS bei Mädchen im Durchschnitt sechs Jahre später diagnostiziert wird als bei Jungen. Frauen warten zudem bei vielen Krankheiten wie Krebs oder Diabetes rund vier Jahre länger auf eine Diagnose.
Laut Weltwirtschaftsforum verbringen Frauen 25 % mehr Lebensjahre in schlechter Gesundheit als Männer. Besonders bedenklich: Der Einsatz von KI könnte diese Ungleichheit weiter verschärfen, da Algorithmen meist mit männlichen Daten trainiert werden. Alexandra Kautzky-Willer, Professorin für Gendermedizin an der MedUni Wien, warnt:
Auch was den von der WHO festgestellten, fortschreitenden Bewegungsmangel angeht, sind Frauen und Mädchen besonders gefährdet. Zwar betrifft mangelnde Aktivität weltweit rund 31 % der Erwachsenen, welche die definierten Anforderungen der WHO nicht erfüllen.
Frauen sind um durchschnittlich 5 Prozentpunkte weniger aktiv als Männer, was sich seit 2000 nicht geändert hat. Heranwachsende Mädchen waren ebenso deutlich weniger aktiv als heranwachsende Jungen (85 % gegenüber 78 %) und erfüllten die WHO-Richtlinien nicht.
Die Zahl chronischer Krankheiten wird also in den nächsten Jahren ansteigen und noch stärker für ein Geschlecht, dass hinsichtlich der Gesundheitsversorgung schon benachteiligt ist. Entsprechend gilt es diese Lücke auch in Bezug auf die Entlastung des Gesundheitssystems, die Bekämpfung der großen Bevölkerungskrankheiten zu schließen. Branchenverbände wie die WFSGI sehen hierbei vor allem Unternehmen und Marken in der Pflicht, da der staatliche Sektor versagt hat.

Unterschiede in der Datenlage zwischen den Geschlechtern betreffen auch den Leistungs- und Spitzensport. Carbloading oder besser auf den Stoffwechsel angepasstes Fettsäure-Loading? Wie lässt sich Training während und nach der Schwangerschaft sicher gestalten? Und wie sieht es mit Leistungsfähigkeit und Training während der Wechseljahre aus? Alles Fragen, die bislang nicht umfassend geklärt sind, Frauen in Studien unterrepräsentiert. Das betrifft laut den "Invisible Sportswomen" Studien von Emma Cowley und anderen nicht nur die Seite der Studienteilnehmer*innen, sondern auch die Forschenden. Eine Zunahme von Frauen in MINT-Fächern bietet hier laut World Economic Forum Potenzial, die Forschungslücke zu schließen, da Forscherinnen Themen, stärker auf Frauengesundheit eingehen.
Gleichzeitig tut sich auch jetzt bereits etwas in der Forschung. Zyklusbasierte Trainingsmethoden sind auf dem Vormarsch, es wird immer mehr Wissen in der Trainingswissenschaft zugänglich und schon allein das Ansprechen, Sensibilisieren und Ausrichten der Einheiten auf die jeweilige Zyklusphase kann sportpsychologisch wirkungsvoll sein, aber auch was Verletzungsanfälligkeit und Leistungssteigerung angeht. Ebenso sind unregelmäßige Zyklen oder sogar das Ausbleiben des Zyklus im Leistungssport wichtige Themen.
Prof. Dr. Jana Strahler von der Universität Freiburg spricht von drei Stufen, an denen frauenspezifisches Training ansetzt:
- Verstehen und Ansprechen, um Bewusstsein zu schaffen und zu empowern
- Integrieren und optimieren von Daten, um während Menstruationsbeschwerden Anpassungen vorzunehmen
- Zyklusgesteuertes Maximieren, um hormonelle Schwankungen für eine Leistungsoptimierung zu nutzen.
Gleichzeitig warnt sie vor Generalisierungen:
Personalisierte Lösungen und die Verwendung und Kombination verschiedener Datenpunkte durch Tracking Devices und Wearables werden also auch im Bereich der Frauengesundheit, ebenso wie in anderen Bereichen des Health Sektors immer wichtiger.

Menstruation ist mittlerweile weniger tabuisiert, doch andere Themen wie die Wechseljahre rücken erst langsam ins Bewusstsein. Femtech-Unternehmen wie Embrlabs bieten Wearables zur Regulierung von Hitzewallungen an, während Metluma Frauen mit individualisierten Beratungslösungen unterstützt.
Das australische Unternehmen ermöglicht es Betroffenen, basierend auf den individuellen Vorlieben und Symptomen der Nutzerinnen, Daten von tragbaren Geräten, Erkenntnissen aus Verhaltenswissenschaften und der Fernüberwachung, sich rechtzeitig mit medizinischen Fachkräften zu verbinden, die auf die Behandlung von Peri- und Menopause spezialisiert sind. Auch psychische Gesundheit und Begleiterkrankungen wie ADHS, metabolisches Syndrom und Diabetes stehen im Fokus.
Die Arbeitswelt muss ebenfalls reagieren. Frauen in den Wechseljahren befinden sich oft in Führungspositionen – ihre gesundheitlichen Herausforderungen sollten kein Tabu sein. Eine BCG-Studie zeigt, dass Unternehmen mit diversen Führungsteams innovativer und profitabler sind. Die Vernachlässigung von Frauengesundheit kann also auch wirtschaftliche Nachteile haben. So erklärt Georgie Drury, Gründerin von Metluma:
Auch im Start-Up Bereich ist Femtech eines der großen, wenn auch im Hinblick auf Umsätze diskutierten Buzzwords. Trotz des Wachstums steht Femtech vor Herausforderungen. Start-ups wie Flo Health haben Millioneninvestitionen erhalten, stehen aber wegen Datenschutzproblemen und mangelnder Diversität im Gründerteam in der Kritik. Zudem erschweren Social-Media-Algorithmen die Verbreitung von Informationen zu Menstruation oder reproduktiver Gesundheit.
Dennoch birgt die Kombination aus vielfältigen Datenpunkten und Gesundheitsdaten, etwa durch Wearables und Tracker, enorme Chancen im Gesundheitsbereich. Schnittstellen wie etwa die Garmin Health API, die Zugang zu vielfältigen Metriken bietet, könnten in Zukunft durch transparente Datenverarbeitung und neue Kooperationen den Markt revolutionieren, auch im Femtech Bereich. Jörn Watzke, Senior Director bei Garmin Health, sagt:
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