Fitness boomt. Laut neuesten Marktzahlen des „European Health & Fitness Market Report“ zählt die europäische Fitnessbranche 59,7 Millionen Trainierende. Mit 26,5 Milliarden Euro Umsatz ist Europa vor den USA der größte Fitnessmarkt der Welt. Mit der Nachfrage steigt das Angebot.
Olaf Tomscheit, Leiter Strategisches Marketing und Prokurist bei Proxomed, hat die Branche in den letzten Jahren intensiv beobachtet. Er war unter anderem acht Jahre lang Leiter der FIBO, der weltgrößten Fitnessmesse in Köln. Tomscheit kann eine klare Tendenz entdecken: „Der Markt für die Fitnessstudios wächst, das stimmt, aber nicht in jedem Bereich.“ Ein Segment, das in den letzten Jahren stark profitiert hat, sind sogenannte Discounter Clubs. Eine weitere Entwicklung sind sogenannte Mikro-Gyms, die sich auf eine Sportart (Yoga, Pilates, EMS, etc.) spezialisiert haben. Zudem gibt es immer mehr betriebliche Sportangebote und selbstorganisierte freie Trainings in den Parks. „All diese Angebote greifen den klassischen, inhabergeführten Studios den Markt ab. Der Konkurrenzkampf ist deutlich härter geworden“, sagt Tomscheit.
Thomas Marx ist Physiotherapeut, Osteopath, Chiropraktiker und Mitentwickler des Tmx Trigger. Er sagt: „Die Fitnessbranche muss innovativer werden und mehr anbieten, um weiter wachsen zu können.“ Marx ist sich sicher, dass das Know-how aus der Physiotherapie den Fitnessstudios helfen kann: „Sie müssen sich in diesem Bereich gut aufstellen und ausbilden, ohne natürlich gewisse Grenzen zu überschreiten.“
Sein Produkt passt zu diesen Gedanken: Es ist eine Art „therapeutischer Daumen“ zur Selbstanwendung, der verspricht, Verklebungen und muskulären oder faszialen Dysbalancen entgegenzuwirken. Mit seinem Produkt berät er auch Fitnessstudios und Trainer.
„Es hat sehr lange gedauert, bis verstanden wurde, dass Fitness und Gesundheit zusammengehören“, sagt auch Tomscheit, „immer mehr Fitnessstudios stellen sich professionell im Gesundheitsmarkt auf.“ Er meint, das liegt indirekt auch daran, dass Gesundheit in den Medien stark thematisiert wird: „Die Menschen wollen mehr Lebensqualität. Dank unserer Gesellschaftsform haben wir dazu auch die Möglichkeit.“
Eine interessante Zielgruppe für klassische, inhabergeführte Fitnessstudios ergibt sich in der Generation der Babyboomer, der Altersklasse Über-50. „Diese Zielgruppe weiß, wie sportlich ihr Körper sein kann. Dann kam die Familie, der Beruf, der Alltag. Der Sport und die Ernährung wurden vernachlässigt“, sagt Tomscheit. Die Branche ist sich einig, dass diese Generation genug Zeit, das nötige Verständnis und die Mittel hat, um sich mit dem eigenen Körper und der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen.
Oft ist die Diagnose Rückenschmerzen der Auslöser für den Gang zum Physiotherapeuten. Olaf Tomscheit weiß: „Rücken ist in unserer sitzenden Gesellschaft ein riesen Thema. Ein Drittel aller Heilmittelverordnungen physiotherapeutischer Natur ergeben sich aus der Diagnose „unspezifische Rückenschmerzen“.
Trainingsgerätehersteller Proxomed bietet deshalb, die eigens entwickelte Tergumed Linie, bestehend aus fünf Test- und Trainingsgeräten. Laut Hersteller macht die Tergumed Linie nichts anderes, als Defizite und Dysbalancen der Rückenmuskulatur auszumessen. Anhand dieser Informationen wird dann ein individuelles Trainingsprogramm erstellt. Tergumed wird unter anderem in den Rückenstudios der AOK genutzt.
Fitness- und Massagerollen sind ein Beispiel für Produkte, die sowohl in Therapieeinrichtungen, als auch in Fitnessstudios genutzt werden. Dennis Gnädinger, Head of Education beim Faszienrollen-Spezialisten Blackroll, beschreibt das unternehmenseigene Schulungskonzept: „Hauptziel für Trainierende ist heute Wohlbefinden. Wohlbefinden hat für mich etwas mit Schmerzfreiheit zu tun. Im Fitnessstudio werden sie fitter, können die Sauna oder das Solarium nutzen, aber die Schmerzen werden sie oft nicht nachhaltig los. Hier ist es wichtig, gutes Personal zu haben, das lernt, nachhaltig Schmerzen zu beseitigen.“
Basis jeder Blackroll-Schulung ist die Grundausbildung, bei der laut Gnädinger Ärzte, Physiotherapeuten und Trainer zusammenkommen: „Mit diesem Konzept fördern wir den Austausch zwischen den Professionen. Manche Fitnessstudios haben schon heute einen eigenen Studioarzt oder eine eingebundene Physiotherapiepraxis und arbeiten Hand-in-Hand. Das ist vorbildlich und inspiriert auch andere.“
Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt es viele: Studios, die Präventionstraining anbieten, Physiotherapeuten, die ein Trainingsangebot haben, übergeordnete Kooperationen, Studioärzte und -therapeuten, oder eine umfassende Ausbildung des Studiopersonals. Was fehlt, ist der ganzheitliche Ansatz, die Möglichkeit, dass das Fitnesstraining von Ärzten verschrieben werden kann, über Physiotherapeuten fortgeführt und in das Training im Gym integriert wird. „Die Krankenkassen setzen um, was die Politik beschließt. Leider passt unser ganzheitliches Denken noch nicht in unser Gesundheitssystem“, resümiert Tomscheit.
Lutz Hertel hat vor über 25 Jahren den Deutschen Wellness Verband gegründet und ist heute Vorstandsvorsitzender. Er sagt: „Die Medizin befasst sich weitgehend mit dem Erkennen und Behandeln von Störungen. Das ist ein sehr krankheitsfixiertes Denken.“ Stattdessen wünscht sich Hertel „Physiotherapeuten, die nicht nur präventiv, sondern auch im Sinne von genussvoll gesund denken." Der Sinn von Wellness sei es Gesundheit zu fördern und nicht Krankheit zu verhindern. Das sei auch der wesentliche Unterschied zur Prävention. Mit seinem Wunsch Fitness, Physiotherapie und Wellness zu verbinden, ist der Chef des Deutschen Wellness Verbandes in der Branche also nicht alleine: „Das wäre ein super Gespann“, sagt Hertel.
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