Großereignisse im Sport besitzen eine unvergleichliche Strahlkraft in der Gesellschaft. Sie entfachen eine unglaubliche Euphorie, wenn Nationen gemeinsam feiern und für kurze Zeit die Welt still zu stehen scheint. Sorgen, Ängste und Herausforderungen rücken in den Hintergrund. Menschenmengen versammeln sich, um in Gänsehautmomenten die besten Athlet*innen der Welt zu bewundern und ikonische Augenblicke zu erleben, die für die Ewigkeit bestimmt sind. Wer einmal das Glück hatte, bei einem solchen Event dabei zu sein, versteht die Bedeutung und den Einfluss der Olympischen Spiele.
Die Olympischen Sommerspiele, das größte Sportereignis der Welt, stehen dabei besonders im Fokus, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Vom 26. Juli bis zum 11. August 2024 treten rund 10.500 Athlet*innen in Paris an. Von den insgesamt zehn Millionen verfügbaren Tickets für 329 Entscheidungen sind bereits 9,7 Millionen verkauft. Zum Vergleich: Vor 100 Jahren fanden die Spiele ebenfalls in der französischen Hauptstadt statt. Damals nahmen „nur“ knapp 3.000 Athlet*innen an 126 Wettkämpfen teil. Wurden die Spiele damals von etwa 100 Journalist*innen begleitet, liegt diese Zahl 2024 bei beeindruckenden 1.300. Alle Augen sind auf die Olympischen Spiele gerichtet – und besonders auf deren Nachhaltigkeit.
Die Herausforderungen bei heutigen Großveranstaltungen sind enorm. Das Internationale Olympische Komitee (IOC), als Veranstalter der 33. Olympischen Sommerspiele, hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Es steht für Gleichberechtigung und strebt nach größtmöglicher Inklusion, während gleichzeitig neue Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit gesetzt werden sollen. Die Zeiten, in denen Veranstalter*innen Großstädte für sportliche Events umpflügen, sie kurzfristig aufblühen lassen und am Ende nur kahle, zerstörte Flächen hinterlassen, sind vorbei. Der weltweite Fokus richtet sich zunehmend auf die Nachhaltigkeit und die Auswirkungen solcher Großereignisse auf die Austragungsorte. Daher hat das IOC große Anstrengungen unternommen, um die Olympischen Spiele nachhaltiger zu gestalten und damit eine neue Ära für dieses weltweit geliebte Sportereignis einzuleiten.
Es passt daher umso besser, dass das IOC in Paris auf eine Millionenmetropole trifft, die längst begonnen hat, ihre Lebensqualität zurückzugewinnen und sich nicht mehr mit zerstörerischen Ereignissen abfindet, die keine Rücksicht auf Nachhaltigkeit nehmen. Das Bewusstsein, den ökologischen Fußabdruck globaler Veranstaltungen zu minimieren, ist so hoch wie nie zuvor, besonders im Vorfeld der Olympischen Spiele. Die Dringlichkeit ist größer denn je – also wo setzen die Organisator*innen an, und welche Maßnahmen werden in Bezug auf Nachhaltigkeit bei den Olympischen Spielen ergriffen?
Die Organisator*innen der Olympischen Spiele 2024 in Paris haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Die CO₂-Emissionen sollen im Vergleich zu früheren Spielen wie London 2012 (3,4 Millionen Tonnen) und Rio de Janeiro 2016 (3,6 Millionen Tonnen) mehr als halbiert werden, um die Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Während der Wettkampftage und beim Bau neuer olympischer Stätten und Einrichtungen für die Athleten strebt Paris nach einer maximalen CO₂-Bilanz von 1,75 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: Berlin emittiert jährlich rund 15 Millionen Tonnen CO₂.
Dieses Emissionsziel berücksichtigt Faktoren wie die An- und Abreise der Zuschauer*innen, und Paris hat bereits mehrere Maßnahmen eingeleitet, um dies zu erreichen. Der Nachhaltigkeitsplan sieht vor, dass 95 % der olympischen Stätten und Einrichtungen in bereits bestehenden oder temporären Gebäuden stattfinden, und 100 % der Austragungsorte werden an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Weitere Maßnahmen umfassen eine Reduzierung von Einwegplastik für Lebensmittel und Getränke um 50 % sowie die vollständige Verwertung nicht verzehrter Lebensmittel. Zudem sollen 90 % der Beschilderungselemente wiederverwendet, recycelt oder weiterverwendet werden – alles mit dem Ziel, die nachhaltigsten Olympischen Spiele aller Zeiten zu veranstalten. Allerdings weist die BBC darauf hin: „80 % der Emissionen eines Sportevents entstehen in der Regel durch die An- und Abreise der Zuschauer*innen.“ Angesichts der weltweiten Fangemeinde, die nach Paris reisen wird, ist dies ein ambitioniertes Ziel.
Um die Spiele letztlich als klimaneutral und nachhaltig präsentieren zu können, sollen die nicht vermeidbaren Emissionen durch umweltfreundliche Projekte wie Aufforstung ausgeglichen werden. Das ist ein positiver Schritt. Doch wie Klimaforscher Roger Pielke betont: „CO₂-Kompensation wird den Klimawandel nicht stoppen.“ Technologischer Fortschritt und politische Entscheidungen werden es tun. Beides steht auf der Agenda der Olympischen Spiele in Paris. Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass Großveranstaltungen nach wie vor erhebliche Mengen an CO₂ erzeugen.
Dieses Konzept stieß bereits bei den European Championships 2022 in München auf viel Applaus und Zustimmung. Paris ist zwar nicht ganz so vorbildlich, doch ein Umdenken findet statt. Ziel ist es, den baulichen Fußabdruck zu minimieren, indem 95 % der vorhandenen oder temporären Infrastruktur genutzt werden. Die Stadt an der Seine bietet schließlich bereits zahlreiche Möglichkeiten und eindrucksvolle Kulissen. Nur das Aquatics Centre (Schwimm- und Tauchwettbewerbe), die Porte de La Chapelle Arena (Badminton und rhythmische Sportgymnastik) sowie das Olympische Dorf im ärmsten Pariser Vorort Seine-Saint-Denis werden neu gebaut, um die Nachhaltigkeit zu fördern. Nach den Spielen soll das Aquatics Centre als Bildungseinrichtung für Kinder genutzt werden, während das Olympische Dorf in ein lebendiges Wohnviertel umgewandelt werden soll, um eine langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Allerdings bezweifeln einige, dass die unmittelbaren Anwohner*innen davon profitieren werden.
„Die Wohnungen werden vor allem von Menschen von außerhalb gekauft – die Anwohner*innen können sich die Preise von rund 7.000 Euro pro Quadratmeter nicht leisten“, sagt Hamid Ouidir, Vertreter der Anwohner*innen des Olympischen Dorfes in St. Denis. Für die meisten Familien und Studierenden, für die das Dorf ursprünglich gedacht war, wird es ein harter Konkurrenzkampf. Übrigens wurde im Namen der Nachhaltigkeit bei der Konstruktion des Olympischen Dorfes auf Klimaanlagen verzichtet, was die Athlet*innen sicherlich weniger glücklich macht. Angesichts einer möglichen Hitzewelle könnte dies auch während der Spiele zu einem Problem werden.
Zumindest wird angestrebt, alle Wettkampfstätten zu 100 % mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Die Veranstaltungsorte sind an das Stromnetz der Stadt angeschlossen, aber die gesamten Olympischen Spiele werden ausschließlich mit erneuerbarer Energie betrieben, die von sechs Windparks und zwei Solarfarmen in Frankreich erzeugt wird. Der Premium-Partner EDF wird Paris mit genau der Menge an grüner Energie beliefern, die während der Spiele verbraucht wird – ein Novum in der Geschichte der Olympischen Spiele in puncto Nachhaltigkeit.
Doch es stellt sich die Frage, warum die Surf-Wettbewerbe auf Tahiti, der größten Insel Französisch-Polynesiens, stattfinden. Der offensichtliche Vorteil liegt darin, dass keine künstliche Surf-Welle gebaut werden muss, wie es vielerorts aufgrund des Trends zum innerstädtischen Surfen üblich ist. Laut den Organisator*innen sei Teahupo'o die nachhaltigste Option, da viele der Teilnehmer*innen aus Ozeanien oder Nordamerika kommen und die Reise somit kürzer ist als nach Mitteleuropa – ein weiterer Beitrag zum Nachhaltigkeitsziel der Spiele.
Allerdings hat der Bau eines neuen Richterturms auf Tahiti, der einen bestehenden Holzturm inmitten eines Korallenriffs ersetzen soll, heftige Konflikte mit Umweltschützer*innen und Einheimischen ausgelöst. Diese fühlten sich ignoriert, was einen Schatten auf die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Olympischen Spiele 2024 wirft. Der drei Stockwerke hohe Aluminiumturm im Wert von 5 Millionen Dollar (4,6 Millionen Euro) ist inzwischen fertiggestellt und mit Klimaanlage, Toiletten und Platz für 40 Personen ausgestattet.
Im Gegensatz dazu scheint das Konzept in Paris selbst besser aufzugehen. Alle Wettkampfstätten sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, 80 % der Austragungsorte liegen im Umkreis von 10 Kilometern und weniger als eine halbe Stunde vom Olympischen Dorf entfernt. Ein Jahr vor Beginn der Spiele begann Paris damit, Parkplätze in der Stadt abzuschaffen und die neu gewonnene Fläche in Grünflächen zu verwandeln. Zudem wurden neue Tempolimits auf der Stadtautobahn eingeführt, und Busse wurden aus dem Stadtzentrum verbannt. Auch neue Radwege wurden angelegt. Dies war ein massiver Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, von dem die Stadt langfristig profitieren wird. Dass klimafreundliche Fahrzeuge für den Transport der Olympia-Offiziellen eingesetzt werden, ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung – auch wenn dies bereits erwartet wurde.
Während der Olympischen Spiele werden 13 Millionen Mahlzeiten an Athlet*innen, Offizielle, Freiwillige und Zuschauer*innen serviert. Der Fokus liegt dabei auf nachhaltiger, fleischarmer Ernährung mit lokalen und saisonalen Produkten sowie auf der Zusammenarbeit mit regionalen Partner*innen. Ziel ist es, Lebensmittelverschwendung und Abfall während des Events zu minimieren. Auch wenn ein Großereignis wie die Olympischen Spiele nicht vollständig ohne Einwegplastik auskommt, soll durch den Einsatz von wiederverwendbaren Trinkflaschen und den Bau von Trinkwasserbrunnen eine Reduktion von 50 % erreicht werden. Ein weiterer Schritt in Richtung langfristiger Nachhaltigkeit ist, dass die Trinkwasserbrunnen auch außerhalb der Sportstätten und nach den Olympischen Spielen genutzt werden sollen, was der gesamten Stadt auf lange Sicht zugutekommt.
Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sicherte sich vor sieben Jahren den Zuschlag für die Olympischen Spiele mit ihrem Versprechen, die Seine zu reinigen, sodass die Menschen wieder darin schwimmen können. Die Säuberung der Seine war wohl das teuerste Nachhaltigkeitsprojekt der Spiele, denn der Fluss war jahrzehntelang ein Abwasserbecken. Bei der Eröffnungszeremonie am 26. Juli, die zum ersten Mal nicht in einem Stadion stattfand, gab es eine Bootsparade auf der Seine – allerdings war das Wasser nicht ganz so strahlend blau, wie erhofft. Ziel der Veranstaltung war es, der Welt die erreichten Nachhaltigkeitsleistungen der Pariser Spiele zu präsentieren und gleichzeitig den Einwohnern der Stadt die Teilnahme an diesem Ereignis zu ermöglichen. Über 320.000 Menschen verfolgten die Zeremonie, während 94 Boote die Athlet*innen den Fluss hinunterfuhren.
Für die Olympischen Spiele sind Freiwasserschwimmen und das Schwimmen beim Triathlon in der Seine geplant. Obwohl es lange Spekulationen gab, ob dies tatsächlich umgesetzt werden kann, wurde der Fluss kurz vor den Veranstaltungen getestet und von den Behörden als sicher eingestuft. Zudem wurden dutzende natürliche Schwimmbäder entlang der Seine für die Spiele geplant. Der französische Präsident Emmanuel Macron zeigt sich begeistert: „Wir stehen kurz davor, eines der schönsten Erben der Olympischen und Paralympischen Spiele zu verwirklichen.“
Ob Paris tatsächlich alle Nachhaltigkeitsziele der Olympischen Spiele erreicht, bleibt abzuwarten. Die Hoffnung besteht, dass die Seine auch im nächsten Sommer noch sauber genug zum Schwimmen ist – und damit mehr Bürger*innen die „Stadt der Liebe“ neu für sich entdecken. Die Nachhaltigkeit soll das dauerhafteste Erbe dieser Olympischen Spiele sein.
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