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Zwei Männer begutachten einen Rucksack.
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Sportbusiness/04.01.2024

Outdoor in China: Wie der gigantische Sportmarkt 2024 neue Maßstäbe setzt

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Wenn Expert*innen über den Sport- und Outdoormarkt in der Volksrepublik China sprechen, geht es um spektakuläre Erfolgszahlen und um ein immer noch riesiges Potenzial, das gehoben werden möchte. Und es geht um einen sehr speziellen Markt, der ebenso viele Geheimnisse und Hürden wie Chancen bietet. Zur ISPO Beijing vom 12. bis 14. Januar 2024 verrät ISPO.com, wie sich der Markt für Sport und Outdoor in China entwickelt, und worauf es für Hersteller und Marken 2024 ankommt.

Warum bietet der chinesische Markt so ungeheuer große Chancen?

Aus westlicher Perspektive ist das riesige Land mit seinen über 1,4 Milliarden Einwohnern oft immer noch kaum zu erfassen. Veronica Pang, Group Project Director von ISPO China, hat zuletzt auf der ISPO Munich 2023 mit beeindruckenden Zahlen die Dimensionen von Sport und Outdoor in China beschrieben. So gibt es in der Volksrepublik 980 Berggipfel, die 5.000 Meter oder höher sind – in Westeuropa dagegen keinen einzigen. 14.298 Berge in China sind zwischen 3.000 und 5.000 Meter hoch – eine Marke, an der die Zugspitze als höchster deutscher Berg mit 2.962 Metern knapp scheitert. Und bis zum Jahr 2025 will China rund 10.000 neue Campingplätze für die immer outdoorfreudigere Bevölkerung einrichten.

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Wie groß ist in China das Interesse an Sport und an Outdoor-Aktivitäten?

Beim spektakulären Wachstum spielt der Nachholbedarf nach den strengen Corona-Restriktionen eine große Rolle. „Die Menschen sehnen sich danach, wieder draußen zu sein und sich bewegen zu dürfen“, verrät Veronica Pang. Auf der Social-Media-Plattform XiǎoHóngShū, quasi dem chinesischen Instagram, haben Beiträge zum Thema Wandern und Bergsteigen von Januar bis Oktober 2023 2,5 Milliarden Views geschafft – ein Plus von 300 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.

Beim Fahrradfahren und Biken, dem aktuellen Trendsport schlechthin in China, war es mit 1,3 Milliarden Aufrufen sogar ein Zuwachs von 400 Prozent. Am Tauchen und Surfen (8 Milliarden Views) und am Campen (6 Milliarden Views) war das Interesse sogar noch größer. Und das Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft. So joggen und laufen in China bisher nur rund 6 Prozent der Bevölkerung. In Deutschland sind es gut 25 Prozent, in Japan und den USA jeweils 29 Prozent, in Großbritannien 34 Prozent und in Frankreich 35 Prozent.

Wie sehr pusht die chinesische Regierung die Entwicklung?

Gerade nach Corona hat die Regierung in Peking „umfangreiche Aktivitäten gestartet, um Fitness und physische Gesundheit zu fördern“, so ISPO Direktorin Veronica Pang. Im November 2022 haben acht Ministerien, darunter die General Administration of Sport und die National Development and Reform Commission, den „Entwicklungsplan für die Outdoor-Sport-Industrie (2022 – 2025)“ gestartet. Das war der erste Fall einer nationalen Politik, die die Entwicklung der Outdoor-Industrie in den Vordergrund stellte.

Im Oktober 2023 folgte der „Aktionsplan zur Förderung des Baus und der Verbesserung von Sportanlagen im Freien (2023 – 2025)“. Die Regierung pusht diese Aktivitäten enorm, und die Firmen in diesem Bereich profitieren davon. Peking gibt auch die Schwerpunkte der Entwicklung vor, verrät Veronica Pang: „Die Schlüsselwörter sind Sicherheit und Nachhaltigkeit. Das soll sicherstellen, dass die neuen Fans ihre Outdoor-Aktivitäten genießen können, ohne sich Sorgen um die Risiken machen zu müssen, und ohne der Umwelt übermäßig zu schaden.“

Outdoor-Aktivitäten werden von der chinesischen Regierung gefördert.
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Ki Zhang/unsplash

Wie hat sich der chinesische Sport- und Outdoor-Markt in den letzten 3 bis 4 Jahren verändert?

Hierfür ist der Skitouren-Pionier Vincent Wang Xiao Yuan ein gefragter Experte. Er ist in seiner chinesischen Community als „Uncle Cho“ bekannt und beim Handelsriesen Alibaba Tmall für mehrere Wintersport-Kategorien zuständig. Er hat große Veränderungen beobachtet: „Der chinesische Markt hat sich in den letzten vier Jahren stark gewandelt. Wir haben sehr viele Marken und Kategorien gesehen, die enorm gewachsen sind.“ Seine Learnings fasst er in sechs Punkten zusammen.

  1. Interesse:
    Immer mehr Menschen in China haben Interesse an den Themen Fitness, Sport und Gesundheit. Dabei geht es aber mehr um die Erfahrung, um ein angenehmes Erlebnis, und weniger um Höchstleistungen und Professionalität.
  2. Kanäle:
    Das Geschäft hat sich überwiegend von Offline zu Online verlagert – und fast vollständig vom klassischen Internet aufs Smartphone.
  3. Verwendung:
    Die Verbraucher in China kaufen Sport- und Outdoor-Produkte wie Kleidung und Schuhe sehr stark für den täglichen Gebrauch, und nicht nur für den Sport. „Sie holen sich die 600-Dollar-Jacke nicht, weil sie in die Berge gehen wollen, sondern weil sie damit in der Stadt unterwegs sind“, hat „Uncle Cho“ festgestellt.
  4. Potenzial:
    Das Angebot wird immer vielfältiger und der Markt immer größer, weiß der China-Experte. „Das bietet neuen Marken große Chancen.“
  5. Produktzyklen:
    Die Lebenszyklen für Sportarten und Produkte sind in China kürzer als anderswo. So war Frisbee 2022 noch ein Riesentrend – und hat 2023 wieder deutlich nachgelassen. Eine der Auswirkungen, die viel Umsatz verspricht: „In China wächst und verändert sich alles sehr schnell. Beispielsweise Skier oder Snowboards werden viel öfter gewechselt als in den USA oder Europa, alle zwei, drei Jahre.“
  6. Digitale Ansprache:
    Beim Erreichen der Kundinnen und Kunden über digitale Kanäle setzen Marken in China auf sehr genaue und effektive Analysen. „Während sich früher der Online-Handel kaum tracken ließ, ist heute alles komplett Data-driven“, schildert „Uncle Cho“.

Worauf kommt es 2024 besonders an?

Experte Vincent Wang Xiao Yuan aka „Uncle Cho“ hat bei seinem Besuch in München fünf Thesen aufgestellt.

  1. Der Sport- und Outdoor-Markt in China wächst weiterhin mit hoher Geschwindigkeit.
  2. Stärkeres Eindringen des Konsums in den Bekleidungs- und Schuhmarkt.
  3. Chancen bestehen in vertikalen Kategorien wie Camping, Skifahren, Radfahren, Tennis usw. – mit unterschiedlichen Gründen für das Wachstum, aber ähnlichen Steigerungsraten.
  4. Die Lebenszyklen der Kategorien sind schneller und stärker digitalisiert, wobei die Bevölkerung zunächst schnell wächst und dann eher stagniert.
  5. Die Notwendigkeit einer genauen Verbraucherkommunikation wird immer größer.

Wie funktionieren Erfolgsmarken in China?

Das Image und die Positionierung einer Marke in Europa oder Nordamerika spielen auf dem chinesischen Markt kaum keine Rolle. Hier sind die Anbieter oft auf ganz anderen Feldern unterwegs. Lululemon, in Europa vor allem für Yoga-Bekleidung bekannt, setzt in China vor allem auf sportliche Alltagsmode – denn Yoga ist dort bisher wenig populär. Hauptzielgruppe von Lululemon sind Frauen, die in China überwiegend entscheiden, welche Kleidung die ganze Familie trägt. Salomon fokussiert sich weniger auf ambitionierte Sportler und mehr auf sportliche Freizeitbekleidung. Descente spezialisiert sich auf sportive Bekleidung für Büro und Arbeitsplatz. Das US-Unternehmen Marmot (Deutsch: Murmeltier) hat sich seit 2015 zu einem der Marktführer für die in China sehr gefragten Daunenjacken entwickelt.

„In China eine Marke zu betreiben, ist sehr kompliziert, sehr herausfordernd – und sehr interessant.“ - Wang Yalei, Strategiedirektor der chinesischen Holding BMAI Sports Group. 

Fjällräven aus Schweden hat seit 2014 vor allem über soziale Medien seine mehrfarbigen Kånken-Rucksäcke erfolgreich als Mode-Accessoire positioniert. Und der US-Fahrradhersteller Specialized hat seine Bikes in China so erfolgreich als hochwertiges Lifestyle-Produkt mit Neidfaktor etabliert, dass seine Händler in Peking 2022 für jedes verkaufte Bike neun weitere Interessenten abweisen mussten. Die Liefermengen waren zeitweise so knapp, dass Kundinnen und Kunden gut und gerne 9.000 Dollar für ein Rennrad ausgegeben haben – das Doppelte des Listenpreises.

Wie etablieren sich Marken in China?

Beim „Double 11“ rund um den 11. November 2023, dem chinesischen „Black Friday“, waren knapp die Hälfte der 20 erfolgreichsten Anbieter für Sport und Outdoor chinesische Marken – auch wenn sie sich teilweise gar nicht so anhören. So wird FILA in China von der heimischen Sportmarke Anta geführt, die mittlerweile Nike und Adidas Konkurrenz macht – und nicht von der FILA-Holding aus Südkorea. Ergebnis: Im Sportbereich war FILA beim jüngsten „Double 11“ Nummer zwei hinter Nike, vor Mutterkonzern Anta, Adidas und der China-Marke Li-Ning. „Wenn Sie erfolgreich auf den chinesischen Markt wollen, sollten Sie dort einen Partner finden, der das Geschäft mit Ihnen zusammen betreibt“, empfiehlt Wang Yalei von der BMAI Sports Group. Und er ergänzt: „Alle internationalen Marken, die in China agieren, haben hier vor Ort ihre Niederlassungen.“

Wie wichtig sind Key Opinion Leader?

In der chinesischen Sportindustrie spielen Key Opinion Leader (KOL) eine außergewöhnlich wichtige Rolle. Sie sind einflussreiche Persönlichkeiten, die auf den digitalen Plattformen Brücken zwischen Marken und Fans bauen. Ihre Empfehlungen erhöhen nicht nur die Sichtbarkeit von Marken. Sie erzeugen auch eine tiefere Verbindung zum Publikum, fördern das Engagement und prägen die Sportlandschaft. Und es gibt sehr viele von ihnen, die Marken für sich gewinnen können und sollten. Allein auf der ISPO 2023 in Shanghai waren über 1.100 KOL zu Gast, erstellten Videos und Beiträge. Rund ein Viertel von ihnen haben laut einer Umfrage mehr als 100.000 Follower auf Social-Media-Plattformen, ein Prozent sogar mehrere zehn Millionen Follower. Für zwei Kategorien interessierten sich die chinesischen Influencer*innen auf der ISPO Shanghai am meisten: 69 Prozent beschäftigen sich mit sämtlichen Arten von Outdoor Sports, 44 Prozent mit allen Aktivitäten rund ums Camping.

Was ist für Erfolg auf dem chinesischen Markt unverzichtbar?

Experte Wang Yalei erklärt, worauf es ankommt: Geld – und Geduld. „Der Aufbau eines Markenbewusstseins braucht Zeit, Produkt-Iteration und -Optimierung brauchen Zeit.“ Um KOL für eine Marke zu begeistern und um die vielen Besonderheiten des chinesischen Sport- und Outdoor-Markts kennenzulernen, sei ein langer Atem erforderlich. Nur eine von zahllosen Besonderheiten: das „Shoe counting“. Dabei wird mithilfe künstlicher Intelligenz erfasst, welche Schuhmarken Läuferinnen und Läufer bei Marathons tragen. Das ist in China noch viel wichtiger als im Westen. Hersteller, Influencer und E-Commerce-Plattformen veröffentlichen umfangreiche Statistiken, die zeigen, wie sich die Anteile der Brands seit den letzten Rennen entwickelt haben. Fazit: Die Veränderungen laufen wesentlich schneller ab als in Nordamerika oder Westeuropa.

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ISPO Beijing 2024

Die ISPO Beijing vom 12. bis zum 14. Januar 2024 im CNCC (China National Convention Center) ist die perfekte Eintrittskarte in den asiatischen Sportmarkt. Chinesische und internationale Akteur*innen der Sportindustrie knüpfen auf der Plattform Kontakte zu zukünftigen Partnerfirmen, Kund*innen oder Key Opinion Leaders (KOL). Darüber hinaus bietet die ISPO Beijing eine Vielzahl von Veranstaltungen und Workshops, die Einblicke in die wichtigsten Trends, Innovationen und Technologien für den größten Sportmarkt der Welt bieten.

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